Positionspapier von SAFIA – Lesben gestalten ihr Alter e.V.
zur geplanten Aufhebung des Transsexuellengesetzes und der Einführung des sog. Selbstbestimmungsgesetzes / Vielfaltsgesetzes

Download als PDF

An die Abgeordnete
Wir, Mitfrauen des unabhängigen Vereins SAFIA – Lesben gestalten ihr Alter e.V., mit 357 Mitfrauen europaweit größter Lesbenverein, wollen Ihnen zu Ihrer Meinungsbildung bezüglich der Aufhebung des Transsexuellengesetzes und der Einführung des sogenannten Selbstbestimmungsgesetzes/Vielfaltsgesetzes unsere Positionen mitteilen.
Die Bundestagskoalition von SPD, Bündnis 90 die GRÜNEN und FDP haben sich in ihrem Koalitionsvertrag Seite 119 geeinigt, das bisher bestehende Transsexuellengesetz durch das sog. Selbstbestimmungsgesetz (SelbstBestG), bzw. Gesetz zur Stärkung der geschlechtlichen Selbstbestimmung zu ersetzen:
„Wir werden das Transsexuellengesetz abschaffen und durch ein Selbstbestimmungsgesetz ersetzen. Dazu gehören ein Verfahren beim Standesamt, das Änderungen des Geschlechtseintrags im Personenstand grundsätzlich per Selbstauskunft möglich macht, ein erweitertes und sanktionsbewehrtes Offenbarungsverbot und eine Stärkung der Aufklärungs- und Beratungsangebote. Die Kosten geschlechtsangleichender Behandlungen müssen vollständig von der GKV übernommen werden.“
Solange das Patriarchat in unserer Gesellschaft das Bewusstsein von Frauen und Männern bestimmt, ist es absolut notwendig, klare Grenzen zum Schutz von Frauen und Mädchen zu wahren und gesetzlich einzuhalten.
Wir sind nicht nur in Sorge um unsere Zukunft als Lesben, sondern auch in Sorge, was dieses Gesetz gesamtgesellschaftlich für Frauen und Mädchen anrichten wird:
1. Die von der Lesben- und Frauenbewegung erkämpften Schutz- und Freiräume würden für Männer, die sich als Frauen definieren, geöffnet. Besonders von (sexualisierter) Gewalt betroffene Lesben und Frauen verlieren dadurch ihre seit Jahrzehnten genutzten Schutzräume.
2. Frauenhäuser, Frauengefängnisse, getrenntgeschlechtliche Belegung von Krankenhausbetten, Nutzung von Toiletten, Dusch- und Umkleideräumen u.a. sollen nach dem Gesetzentwurf nicht mehr nach dem biologischen, sondern nach dem selbstempfundenen Geschlecht zugänglich sein.
3. Bei einer selbstbestimmten Geschlechtsidentifikation ist es weder möglich, geschlechtsbezogene Gewaltstatistiken zu führen, noch die gerade erst begonnene geschlechtsspezifische Forschung in der Medizin fortzuführen.
4. Männer, die sich als Frauen definieren, können im Sport Siege für sich einholen, die sie im Männersport nie erreicht haben.
5. Frauenquotenplätze werden von biologischen Männern besetzt, d.h. in vielen Bereichen wird eine Frauenpolitik zur Erreichung der Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen nicht mehr umsetzbar sein.
6. Dieses angestrebte Gesetz ist ein „Lesbenverhinderungsgesetz“, da der zu leicht gemachte Zugang zu unumkehrbaren Operationen und Hormonbehandlungen die Entwicklung von Mädchen und jungen Frauen zu selbstbewussten Lesben verhindert.

2
7. Das im Gesetzentwurf benannte „Sanktionsbewehrte Offenbarungsverbot“ bedeutet: Wer das bei Geburt festgestellte Geschlecht einer Person, die ihren Geschlechtseintrag geändert hat, offenbart, muss mit einer Geldstrafe bis zu 2.500 Euro rechnen. Lesbisch sein definiert sich darüber, dass Frauen emotional und sexuell biologische Frauen lieben. Es ist nicht auszuschließen, dass die Ablehnung eines biologischen Mannes, der sich als Lesbe definiert, unter Hinweis auf das Geburtsgeschlecht rechtliche Folgen nach sich ziehen kann.
8. Wir halten es für verantwortungslos und undemokratisch, dass eine Regierung eigenmächtig, ohne die Bevölkerung zu befragen oder ausreichend aufzuklären, ein solch folgenschweres Gesetz erlassen will. Dieses Gesetz beinhaltet einschneidende juristische und gesellschaftliche Veränderungen und greift in die Persönlichkeitsrechte aller BürgerInnen ein, indem es das biologische Geschlecht negiert und dies auch im BGB (BürgerlichesGesetzBuch) so festschreiben möchte.
Wir fordern:
1. keine rechtliche Freigabe der Geschlechtswahl und Geschlechtseintragsänderung ausschließlich auf Basis von subjektiven Gefühlen per Selbstauskunft. Geschlecht, Alter, Herkunft und Hautfarbe sind Fakten und kein verhandelbares Gefühl.
2. Jede Frau soll sich frei von Geschlechterrollenstereotypen in allen ihren Lebensbereichen, Vorlieben und Begabungen entfalten können.
3. den Erhalt hart erkämpfter Frauenräume, ohne finanzielle Sanktionen, wenn sich diese Orte/Einrichtungen gegen die Öffnung für biologisch männliche Personen positionieren, besonders wenn es sich um Räume für von sexualisierter Gewalt betroffene Mädchen/Frauen/Lesben handelt.
4. ein pädagogisches Konzept (in Kindergärten, Vorschulen, Schulen), das einen wertschätzenden und achtsamen Umgang mit dem eigenen Körper und dem der anderen vermittelt und einübt. Dann können Mädchen andere Mädchen begehren und stolz darauf sein! Sie haben Vorbilder und werden darin unterstützt, selbstbewusste Frauen zu werden.
5. die Finanzierung von Beratungsangeboten, die Mädchen und Jungen darin unterstützen, aufklären und stärken, ihre sexuelle Orientierung und ihre biologische Geschlechtszugehörigkeit zu leben, jenseits von heteronormativen Rollenklischees und gesundheitsschädigenden medizinischen Eingriffen.
6. dass biologische Frauen Frauen sind und auch so genannt werden.
7. dass biologische Männer Männer sind und auch so genannt werden.
Wir möchten mit den vorherigen Darlegungen und Forderungen besonders aufmerksam machen, dass wir als Lesben weiterhin selbstbestimmt und sichtbar in unserer Gesellschaft leben wollen. Wir sind darin geübt Netzwerke zu schaffen, jenseits und trotz immenser gesellschaftlicher, politischer und persönlicher Gegenströmung – unsere Geschichte, unsere Realität haben uns dies über viele Generationen gelehrt.
Wir haben unsere Rechte selbst erstritten ohne andere Menschen zu bedrohen, sie in ihrem beruflichen und sozialen Umfeld zu diskreditieren, sie tätlich anzugreifen oder gar Mord- und Vergewaltigungsandrohungen als Ausdruck unserer „Befreiung“ einzusetzen. Noch fordern wir andere dazu auf, wie dies seitens Transaktivisten belegbar geschieht.

3
Wir fordern Sie auf, sich dafür einzusetzen, dass die Selbstbestimmungsrechte, körperliche und psychische Unversehrtheit und geschützte Entfaltungsräume für Lesben/Frauen erhalten bleiben.
Ein Gesetz, das die Rechte einer diskriminierten Personengruppe (Transsexuelle) stärken möchte, darf nicht auf Kosten und mit der Einschränkung der Rechte einer anderen diskriminierten Personengruppe (biologische Frauen/Lesben) einhergehen.
Wir fordern eine breite gesellschaftliche Diskussion zu diesem Thema, die dringend vor der Verabschiedung eines so folgenschweren Gesetzes notwendig ist.

SAFIA – Lesben gestalten ihr Alter e.V. im März 2022